00:00:00: Deutsche Bank präsentiert Perspektiven to Go.
00:00:04: Ihr Audio-Podcast rund um das Thema Börse.
00:00:10: Es ist die Zeit der Jahresausblicke.
00:00:12: Die Medien sind voll davon.
00:00:13: Es ist aber auch die Zeit, Bilanz zu ziehen.
00:00:16: Wie gut lagen die Experten mit ihren Prognosen für das Jahr 2023?
00:00:20: Wo lagen sie daneben?
00:00:22: Uli Stefan von der Deutschen Bank stellt sich der Herausforderung
00:00:25: und geht mit mir seinen Jahresausblick für das laufende Jahr durch.
00:00:28: Mein Name ist Jessica Schwarzer.
00:00:30: Herzlich willkommen zu dem Perspektiven to Go.
00:00:33: Uli, schwächeres Wachstum, stärkerer Markt.
00:00:36: So kann man euren Ausblick, den Ausblick der Deutschen Bank,
00:00:39: für das laufende Jahr beschreiben.
00:00:42: Ein erster Volltreffer, oder?
00:00:44: Jessica, wenn wir über den Ausblick 2023 reden,
00:00:47: dann würde ich das in zwei Teile teilen.
00:00:49: Zum einen machen wir immer unsere 10 Thesen.
00:00:52: Also das ist dann sozusagen die verbale Verarbeitung
00:00:55: für den Jahresausblick.
00:00:57: Auf der anderen Seite gibt es dann die harten Daten und Fakten.
00:01:00: Zu den Prognosen, da bin ich ja ohnehin nicht so ein ganz großer Freund von,
00:01:04: wie du weißt, weil ich sage, dass wir in einer unsicheren Welt sind.
00:01:08: Dann sich die Umweltbedingungen unter denen Prognosen gegeben werden,
00:01:12: permanent ändern und wir noch nicht wissen, wie sie sich ändern.
00:01:15: Deswegen muss man damit immer etwas vorsichtig sein.
00:01:18: Wir können gleich gerne darüber sprechen.
00:01:20: Was das Wörding angeht, also die 10 Thesen,
00:01:23: da muss man natürlich dann so formulieren,
00:01:25: dass man am Ende des Jahres sagen kann, es war dann doch gar nicht so verkehrt.
00:01:30: Ich glaube, wenn ich mir die so angucke,
00:01:33: lagen wir tatsächlich nicht komplett verkehrt.
00:01:36: Die Politik hat wieder eine wichtige Rolle gespielt.
00:01:39: Wir haben die These 2 gehabt, Technologie macht den Unterschied.
00:01:42: Sicherlich im letzten Jahr, auch vor dem Hintergrund des Hypes,
00:01:47: sozusagen, um JetGPT.
00:01:49: Und das hat sich ja dann diesem Jahr mit der künstlichen Intelligenz
00:01:54: durchaus bewahrheitet.
00:01:56: Wir haben gesagt, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben.
00:01:59: Sie ist natürlich rückläufig, aber immer noch auf einem deutlich
00:02:04: über dem Zielniveau liegenden Niveau.
00:02:07: Aber das hattet ihr ja auch prognostiziert.
00:02:09: Ihr hättet ja gesagt, dass ihr bleibt erst mal hoch
00:02:11: und geht ab dem Sommer dann runter. So ist es ja dann auch gekommen.
00:02:14: Ja, ich lobe mich ja sozusagen gerade selbst,
00:02:16: dass wir hier das Wörding gar nicht so schlecht gemacht haben.
00:02:18: Rentenmarkt, Dollar, ja, wir haben gesagt, Aktien,
00:02:23: alles außer teuer.
00:02:24: Also, will heißen, man muss Aktien haben.
00:02:27: Ich glaube, das war auch nicht so verkehrt.
00:02:29: Wir haben gesagt, Immobilien sind teuer.
00:02:31: Wir wollten oder haben die Infrastruktur gelobt.
00:02:34: Da muss man sagen, das ist in diesem Jahr nicht wirklich gut aufgegangen,
00:02:38: genauso auch wie die ganzen erneuerbaren Energie.
00:02:41: Aber das kommt ja vielleicht noch.
00:02:42: Das sind ja langfrist Themen eigentlich, die wir haben
00:02:45: und die wir angehen müssen, oder?
00:02:47: Ja, aber ich kann mich natürlich nicht mit einer Prognose für 2023
00:02:50: dann rausreden, indem ich sage, na ja, sie ist ja für zehn Jahre angelegt.
00:02:54: Also, dann muss ich das, glaube ich, in einem anderen Medium verarbeiten.
00:02:57: Also, für 2023 natürlich ist Infrastruktur immer wichtig.
00:03:01: Natürlich muss auch dort mehr investiert werden.
00:03:04: Das wird auch in Zukunft hoffentlich passieren.
00:03:07: Wir haben ja Green Deal, wir haben Flation Reduction Act,
00:03:10: also auf beiden Seiten des Atlantiks hier große Maßnahmen.
00:03:13: Aber von der Aktienseite her, will ich nur sagen,
00:03:16: hat sich das in diesem Jahr nicht getragen,
00:03:18: genauso wie auch die erneuerbaren Energien.
00:03:21: Zum Teil aus idiosynkratischen Gründen,
00:03:23: zum Teil aber auch verbunden mit dem Zinsanstieg.
00:03:25: Nicht so gut performt haben.
00:03:28: Das bin ich aber völlig bei dir, bedeutet nicht,
00:03:31: dass das nicht in der Zukunft noch so sein kann.
00:03:33: Lass uns noch mal auf einzelne Punkte eingehen.
00:03:36: Einiges hast du ja schon erwähnt.
00:03:37: Ihr hattet eine moderate Rezition in den USA und in Europa erwartet.
00:03:43: Ich glaube, das ist ein Punkt, Jessica,
00:03:45: den du völlig richtig ansprichst
00:03:47: und wo wir uns auch alle an die Nase greifen müssen,
00:03:50: weil das ein breiter Konsensus war.
00:03:52: In das Jahr 2023 hinein, dass die Vereinigten Staaten
00:03:56: aufgrund der aggressiveren Geldpolitik
00:03:59: in die Rezession hineinrutschen könnten.
00:04:02: Wir haben jetzt im dritten Quartal
00:04:03: einen Wachstum von über 5% annualisiert gesehen.
00:04:06: Also das war mal so richtig falsch.
00:04:09: Auf der anderen Seite hatte man gedacht,
00:04:11: dass Europa nach dem Überstehen des Winters,
00:04:14: wir haben ja noch vor einem Jahr über mögliche Gasknappheiten
00:04:18: und das Abstellen von Industrien und Ähnlichem gesprochen.
00:04:22: Das hat sich nicht bewahrheitet.
00:04:24: Da sind wir auch von ausgegangen,
00:04:25: dass das nicht im letzten Winter passieren würde,
00:04:28: übrigens genauso wie in diesem Winter.
00:04:30: Aber die Erholung, die dann prognostiziert war
00:04:33: mit dem Frühjahr 2023, die ist eben in Europa tatsächlich ausgeblieben.
00:04:39: Da spielt Deutschland auch eine große Rolle,
00:04:41: was das Schlusslicht in Europa ist.
00:04:43: Und insofern muss man sagen, dass die Wachstumszahlen
00:04:47: sowohl für Europa als auch für die Vereinigten Staaten
00:04:49: von Amerika falsch gewesen sind.
00:04:51: Eine weitere Prognose war,
00:04:53: dass die Zinsanhebungen von FET und EZB 2023 enden werden.
00:04:58: Das scheint ja gestimmt zu haben.
00:05:01: Aber bei der absoluten Höhe bis wohin es geht,
00:05:04: war es nicht ganz ein Volltreffer.
00:05:07: Ja, das ist absolut richtig.
00:05:08: Wir glauben schon, dass wir den Höhepunkt des Zinszyklus
00:05:12: jetzt gesehen haben, was die kurzfristigen Zinden angeht,
00:05:16: die ja von der Notenbank gesteuert werden,
00:05:18: aber auch die langfristigen Zinsen.
00:05:20: Für die FET hatten wir gesagt,
00:05:22: könnte der Zins auf 5 bis 525 gehen.
00:05:27: Zum Ende des Jahres 2023.
00:05:30: Die FET ist tatsächlich ein bisschen weitergegangen.
00:05:32: Ein Schritt auf 5,25 bis 5,5.
00:05:36: Insofern würde ich mal sagen, das ist noch akzeptabel.
00:05:40: Weiter weg haben wir gelegen bei der Europäischen Zentralbank.
00:05:44: Hier hatten wir 3% für die Einlagesätze.
00:05:48: Es sind jetzt 4 geworden.
00:05:49: Die Europäische Zentralbank war doch aggressiver,
00:05:53: als man das vermutet hatte in den Zinsanstiegen.
00:05:56: Da muss ich sagen, ein ganzer Prozentpunkt,
00:05:59: das ist schon dann keine ganz glückliche Prognose gewesen.
00:06:03: Passieren ja immer Dinge,
00:06:05: die Prognosen ja auch so schwierig machen,
00:06:08: mit denen man überhaupt nicht rechnet.
00:06:09: Oder zumindest die so nicht auf dem Schirm hat.
00:06:12: Wir hatten nach dem Ukrainekrieg,
00:06:14: also dem Übergriff Russlands auf die Ukraine vor mittlerweile 1,5, fast 2 Jahren,
00:06:19: diesem Jahr vor einigen Wochen den Überfall der Hamas auf Israel,
00:06:24: also den wieder extrem aufgehendenden na Ostkonflikt.
00:06:27: Das konnte ihr auch nicht auf dem Schirm haben.
00:06:30: Hat das nochmal für irgendwelche Verwerfungen,
00:06:34: Verschiebungen an den Aktienmärkten gesorgt,
00:06:36: mit denen ihr gar nicht gerechnet habt.
00:06:37: Ich glaube, bei den Aktienmärkten tatsächlich weniger.
00:06:40: Es war eine Frage von Rohstoffmärkten, die hier betroffen waren.
00:06:43: Es wurde zunächst mal dann im Oktober doch eine ganz deutliche Prämie
00:06:48: für die Rohlölmärkte eingepreist, in der Größenordnung bis zu $5 pro Bärl.
00:06:55: Das ist mittlerweile wieder vollkommen rausgegangen.
00:06:58: Und auch der Goldpreis hat von diesem Überfall doch profitiert,
00:07:03: weil der Goldpreis natürlich immer oder Gold an sich immer ein Instrument ist
00:07:08: für Unwegbarkeiten, was dann eben zur Absicherung im Depot genutzt wird.
00:07:13: Und insofern haben offensichtlich doch einige Anleger dann im Oktober beim Gold zugegriffen.
00:07:19: Die Notenbanken tun das ohnehin ja schon die ganze Zeit,
00:07:22: aber wie gesagt, da scheint auch einiges, ein privater Nachfrage dann dazu gekommen zu sein.
00:07:26: Lassen Sie uns nochmal auf ein paar Punktprognosen gucken, auch wenn du die nicht magst.
00:07:30: Du hast das Verhint schon gesagt. Ich glaube, die mag kein Kapitalmarkt-Expert,
00:07:33: aber ihm ist trotzdem alle jedes Jahr wieder mitmachen bei diesem Spiel.
00:07:36: Du hast gerade von Gold gesprochen, fangen wir vielleicht damit an,
00:07:39: wie gut oder schlecht lag dir damit eurer Prognose?
00:07:42: Ja, wir haben das Gold prognostiziert mit 1850.
00:07:46: Wir liegen jetzt bei 1980, also etwa $130 pro Unze darüber.
00:07:53: Ja, wie gesagt, da könnte natürlich der Hamas-Überfall auf Israel eine Rolle.
00:07:59: Wir haben eine Rolle gespielt, aber ich würde jetzt sagen, die Prognose ist nicht völlig daneben gegangen,
00:08:05: aber sie ist auch hinreichend ungenau, als dass man jetzt von einem guten Ergebnis sprechen könnte.
00:08:11: Aber wie gesagt, so ist das eben, weil man damit rechnen muss,
00:08:15: dass im Jahresverlauf Dinge passieren, die man bei der Erstellung dieser Prognosen eben noch nicht gewusst hat
00:08:21: und auch nicht auf der Agenda gehabt haben.
00:08:23: Und dann müsste man eigentlich die Prognosen natürlich sofort ändern.
00:08:26: Aber weil das ja schon sofort geschritten war, haben wir das auch nicht mehr gemacht.
00:08:30: Und wir reden ja jetzt auch über die Prognosen, die wir vor einem Jahr sozusagen bekannt gegeben hatten.
00:08:36: Also die Prognose sind ein Jahr alt und wir rechnen ab.
00:08:39: Es sind nicht die Prognosen für 2024, aber für 2023 bei den Aktienmärkten,
00:08:44: da war die zwar eigentlich verhaltenoptimistisch, aber überhaupt nicht optimistisch genug.
00:08:49: Hatte ich das komplett überrascht, dass es so ein sensationelles Aktienjahr geworden ist?
00:08:53: Ja, es ist schon deutlich besser gelaufen, als wir das vermutet hatten.
00:08:57: Wir hatten den DAX bei 15.000, der steht jetzt bei 16.770 in etwa, den S&P 500 bei 4.100, der steht bei knapp 4.600.
00:09:08: Also hier haben Aktienmärkte trotz des erheblichen Zinsanstieges sehr gut performt,
00:09:15: vor allen Dingen auch die große US-Technologie, also die sogenannten FANG-Aktien liegen bei knapp plus 90 Prozent,
00:09:23: der NASDAQ bei über 40 Prozent im Plus, das hat schon natürlich sehr, sehr gut funktioniert
00:09:30: und ist wahrscheinlich in Teilen auf diesen Boom der künstlichen Intelligenz zurückzuführen.
00:09:36: Aber ja, du hast völlig recht, da waren wir etwas zuverhalten bei den Aktienmärkten.
00:09:41: Wir haben Chancen gesehen, haben auch den Anlegern empfohlen, in Aktien zu investieren
00:09:46: und dass da am Ende noch mehr bei rausgekommen ist, als wir gedacht haben, das ist ja dann eigentlich nur ein Grund zur Freude.
00:09:54: Auf jeden Fall. Du magst keine Punktpoglosen, aber ihr müsst euch als Kapitalmarktexperten ja genau jedes Jahr immer wieder daran messen lassen.
00:10:03: Das gilt ja für deine Kollegen aus anderen Häusern auch.
00:10:06: Ärgert dich das eigentlich manchmal ein bisschen oder nimmst du das sportlich und sagst, okay, das spielen müssen wir einmal im Jahr spielen?
00:10:13: Naja, es gibt offensichtlich eine Nachfrage danach und ich versuche immer, wenn die Nachfrage an mich herangetragen wird,
00:10:20: auch zu sagen, dass diese Punktpoglosen eben relativ unsinnig sind, weil sie jetzt aufgrund eines Informationssets getätigt werden,
00:10:29: dass sich definitiv im Laufe des Jahres ändern wird und diese Änderungen und ich weiß ja noch nicht mal, in welche Richtung sie gehen,
00:10:37: die kann ich natürlich dann gar nicht mit berücksichtigen. Insofern müsste man eigentlich immer, wenn was passiert, sich die Frage stellen,
00:10:43: ist es fundamental, muss ich an Prognosen, an meiner Depotaufstellung etwas ändern oder aber muss ich das nicht tun.
00:10:52: Und insofern beobachte ich auch mit einer gewissen Sorge, dass auch Richtung 2024 doch manchen Konsensus hier vorliegt,
00:11:02: weil es die Prognosen angeht. Also die meisten gehen doch davon aus, dass die Zinsen gesenkt werden, dass die Inflation deutlich zurückkommt,
00:11:09: dass wir wahrscheinlich keine tiefe Rezession kriegen und mal gucken, was denn dann wirklich passiert.
00:11:15: Und wie gesagt, eigentlich müsste man dann vor dem Hintergrund der Dinge, die eben passieren können, dann die Prognosen anpassen,
00:11:23: das wäre, glaube ich, der faire Versuch. Aber es ist wie es ist und wir müssen und können sicherlich auch damit leben,
00:11:30: dass wir auf diesen Punktpoglosen von vor einem Jahr dann ein Stück weit festgenagelt werden.
00:11:36: Ich finde ja auch ehrlich gesagt, dass drumherum viel interessanter. Ich lese ja die ganzen Pressemitteilungen und Medienberichte natürlich,
00:11:42: wenn alle vorlegen, ich finde dieses drumherum und die Nuancen, wie es begründet wird, welche Chancen, welche Risiken gesehen werden,
00:11:49: welche Branchen vielleicht spannend sind und welche eher nicht. Das finde ich eigentlich am Ende auch viel spannender als die Punktpognose, oder?
00:11:56: Ja, absolut. Ich glaube auch, dass die Herleitung wichtig ist. Und wir wissen ja alle nicht, was die Zukunft bringt.
00:12:01: Insofern sind die Argumente wichtig. Die müssen plausibel sein, die muss man verstehen können.
00:12:07: Die müssen auch konsistent sein natürlich zwischen den Anlageklassen und das diskutieren wir auch mit uns selbst, aber natürlich auch mit anderen Häusern.
00:12:16: Weil ich glaube, je mehr man es diskutiert, desto mehr Facetten kann man mit hineinbeziehen in diese Prognoseerstellung und in den Ratschlag,
00:12:26: wie man dann mit dem nächsten Jahr umzugehen hat. Desto besser wird sie wahrscheinlich, aber wir sind natürlich immer weit von perfekt entfernt.
00:12:34: Das habe ich ja vorhin genannt und da werden wir auch nicht rauskommen, weil wir sicherlich nicht so weit sind, dass wir die Zukunft vorhersagen können.
00:12:41: Ich würde auch befürchten, dass die künstliche Intelligenz das in Zukunft nur bedingt hinbekommt, denn auch da werden immer wieder überraschende Dinge geschehen,
00:12:51: die dann eben der Programmierer nicht auf der Agenda gehabt hat.
00:12:54: Zum Glück sprechen wir beide ja jede Woche über die Märkte. Also wir können dann immer deine Prognosen gemeinsam aktualisieren.
00:13:01: Danke für diese Perspektiven. To go.
00:13:03: Te gern.
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00:13:10: SWR 2021
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